Am 22.07.2018 gingen zwischen 25.000 – 50.000 Menschen unter dem Motto „ #ausgehetzt Gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft“ trotz anhaltendem Regen in München auf die Straße. Auch wir von den Freisinger Linken waren mit dabei.

Schon im Vorfeld der Demonstration fiel die CSU durch ihr befremdliches Verhalten auf. Nachdem die Intendanten der Münchener Kammerspiele und des Volkstheaters zur Demo aufgerufen hatten wurde versucht ihnen die Teilnahme zu verbieten. [1]

Dann am Vorabend der Demo in einer wortwörtlichen „Nacht und Nebelaktion“ wurden seitens der CSU Plakate entlang der angemeldeten Demoroute aufgehängt. Inhalt: „Ja zum politischen Anstand! Nein zu #ausgehetzt. Bayern lässt sich nicht verhetzen.“ [2]

Gab es so etwas schonmal?. Eine etablierte demokratische Partei, eine Partei, die eine Staatsregierung stellt, wirbt öffentlich gegen eine angemeldete und genehmigte Demonstration. Eine Demonstration, die sich gegen den Rechtsruck in Gesellschaft und Politik stellt. [3] Eine Demonstration die auch die Politik der CSU kritisiert, jedoch allen voran Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt. Begriffe wie „Anti-Abschiebe-Industrie“, „Asyltourismus“, oder die Sache mit den 69 Flüchtlingen zum 69 Geburtstag. Das waren Kernpunkte, gegen welche sich die Demonstranten richteten. Es war eine bunte Demo. Eine Demonstration an der, wie auch bei der #nopag Demo in München, Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft teilnahmen. Erinnert sei an dieser Stelle an den Kommentar von Joachim Hermann in dem er den „unbedarften Bürgen“ vorwarf von der „Lügenpropaganda“ in die „Irre“ geführt worden zu sein. [4]

Ähnliches konnten wir nach #ausgehetzt wieder vernehmen. Diesmal von Ludwig Spaenle, der die bis zu 50.000 Demonstranten als „verirrte Blumenkinder“ bezeichnete. [5] Dieser Post wurde von  Hr. Spaenle später kommentarlos gelöscht. Er verwies im Nachhinein darauf, nur etwas widergegeben zu haben, was er irgendwo aufgeschnappt habe. Es scheint für ihn schwierig zu sein, zu dem zu stehen, was er geäußert hat. Das macht das Gesagte nicht ungeschehen und lässt an der Beständigkeit seiner Aussagen zweifeln. Andere CSU Größen glänzten ebenfalls durch rhetorischen Erfindungsreichtum. [5]

Ex Minister Hans-Peter Friedrich forderte per Twitter die Parteimitglieder dazu auf „gegen links aufzustehen“ und Markus Blume ließ verlauten, dass man sich bei der CSU gegen die „Hetze von links“ wehre.

Wir stellen uns natürlich die Frage: Was bezweckt ihr damit? Tretet ihr so in den Dialog mit uns? Kritiker mit Gegenkritik zu bewerfen, wie alt seid ihr? Ihr wirkt wie ein Kind mit Kurzschlussreaktion, das gerade merkt, dass ihm alle Freunde davonlaufen. Aber CSU, wir und ihr sind keine Kinder.  Eure Aktion war ein Eigentor!

Nur ein Bruchteil der Menschen auf der #ausgehetzt Demo stammten aus dem linken Spektrum. Die meisten waren Bürger*innen aus der Mitte der Gesellschaft, welche selbst unter anderen Umständen wohl CSU Wähler*innen wären, Kirchenvertreter*innen und soziale Verbände.

Die Mehrheit der CSU Mitglieder sieht sich hier einer gesteuerten Verleumdungskampagne aus dem linken bis linksradikalen Lager Bayerns ausgeliefert. Die „linke Hetze“ welche die CSU überall zu wittern scheint resultiert wahrscheinlich aus ihrer sich immer mehr nach Rechts wendenden Position.

Das non plus Ultra der Selbstinszenierung als Opfer welche die CSU nach der Demo systematisch verbreitete, war jedoch und ist nach wie vor: #ichbinCSU.

Wer genau die Initiator*inne dieser Aktion sind ist uns nicht bekannt. Wichtiger ist ja auch, dass viele CSU Mitglieder scheinbar unreflektiert dieses Hashtag verwenden um in den sozialen Medien ihre Solidarität (oder sollte man Treue sagen?) mit der CSU zu bekunden. Mit diesem Hashtag sollen Mitglieder zeigen, dass sie klar für die Werte der CSU stehen. Welche Werte sind damit gemeint? Die Demonstration richtete sich doch genau dagegen, dass die CSU-Spitze die „christlichen und sozialen Werte“ scheinbar abgelegt hat. Denn die Wortwahl der besagten öffentlichen Personen lässt an einem Bezug zu den verankerten Werten zweifeln und schürt die Befürchtungen, dass die CSU sich in Richtung der AfD bewegt und deren menschenfeindliche Positionen in die Mitte der Gesellschaft trägt. Überhaupt sieht man bei #ichbinCSU parallelen zum Verhalten der AfD, die sich ebenfalls gerne als Opfer linker Hetze betrachtet. Nicht nur uns hat diese Aktion an #jesuischarlie erinnert. Nach den Terroranschlägen auf die französische Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ zeigte die Öffentlichkeit ihre Solidarität und ihr Mitgefühl mit #jesuischarlie. Es wurden 13 Menschen getötet.  [6]

Will sich die CSU mit Opfern islamistischen Terrors vergleichen? Was soll das? Wir finden das ist geschmacklos und unangebracht.

Vereinzelte Mitglieder und Kommunalpolitiker äußerten sich in den vergangenen Tagen zwar kritisch und auch die Union der Mitte vertritt die Position, dass die CSU sich nicht an die AfD anbiedern darf, doch der große Protest bleibt derweil aus. Es gibt bis dato keine öffentliche Kritik der Basis in Richtung Spitze. Man kommt also nicht umhin daraus zu schließen, dass ein Großteil der CSU die aktuelle Politik ihrer Partei auf Bundesebene gutheißt. Ist es daher falsch, wenn Menschen dies kritisieren? Wir finden: Nein! Zwar richtete sich die Demonstration nicht gegen die CSU als Partei, sondern nur an deren jüngste Politik, doch das Verhalten des Großteils der Mitglieder zeigt, dass man keine oder nur sehr geringe Kritik aus der Partei selbst erwarten kann. Wer hetzerische und teilweise auch fremdenfeindliche Sprüche unterstütz bzw. Personen die diese äußern nicht kritisiert, der darf sich nicht wundern, wenn er dafür kritisiert wird.

Die Äußerungen auf Bundesebene, das Anbiedern an die AfD, die ständigen Eskapaden von Horst Seehofer und die absolute Versteifung der Politik auf das Thema Asyl sind die Gründe, die zehntausende Menschen am 22.07.18 in München auf die Straße trieben um dagegen zu demonstrieren. Die Reaktionen auf die Demonstrationen lassen ein Verständnis von Demokratie jedenfalls sehr vermissen. Die CSU muss sich fragen lassen ob sie in dieser Form und Besetzung zukunftsfähig ist. Es wird Zeit, dass sich die Mitglieder kritisch mit ihrer Parteispitze auseinandersetzen. Nach den kommenden Landtagswahlen wird die CSU aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr alleine die Regierung bilden. Es bleibt abzuwarten in welche Richtung sie sich dann wenden werden. Ohne einen internen Kurswechsel steht zu befürchten, dass es die AfD sein wird. Wir hoffen, dass die gemäßigteren Kräfte innerhalb der CSU dies zu verhindern wissen.

Wir jedenfalls freuen uns darauf, als hoffentlich zukünftige Oppositionspartei im Bayerischen Landtag der Regierung auf die Finger zu schauen.

Junge Linke Freising

 

 

 [1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ausgehetzt-csu-will-muenchnern-theatern-das-demonstrieren-verbieten-a-1219217.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ausgehetzt-kundgebung-csu-plakatiert-gegen-den-protest-a-1219608.html#ref=rss

[3] http://gemeinsam-fuer-menschenrechte-und-demokratie.de/ausgehetzt-gemeinsam-gegen-die-politik-der-angst

[4] https://www.br.de/nachrichten/polizeiaufgabengesetz-herrmann-wirft-pag-gegnern-luegenpropaganda-vor-100.html

[5] https://www.merkur.de/politik/ausgehetzt-demo-in-muenchen-csu-faehrt-diese-strategie-10056829.html

[6] https://www.zeit.de/feature/attentat-charlie-hebdo-rekonstruktion